10-5 Veränderungen in der Führungsmannschaft und besondere Ereignisse (1985 - 1989)
Gesamtbetriebsratsvorsitzender Udo Klingenburg wird 1985 Aufsichtsratsmitglied der Bergbau AG Lippe.
Ab Mai 1985 soll eine alte Seilscheibe des Schachtes 5 auf Anregung des früheren Betriebsratsvorsitzenden Saland vor der Stadthalle als Denkmal aufgestellt werden, als stete Erinnerung an den Bergbau. Diese Scheibe ist 1929 von der damaligen, zur Gewerkschaft Ewald-König-Ludwig gehörenden Eisenhütte Prinz Rudolf in Dülmen gefertigt worden. Sie werde als Symbol noch wertvoller, wenn der Hauptschacht später einmal in Rapen sei und die Innenstadt Erkenschwick keinen Bergbau mehr habe, betont Bergwerksdirektor Stark bei der feierlichen Einweihung des Denkmals.
Ende Mai 1985 schließt das von der Steag betriebene frühere Zechenkraftwerk in Erkenschwick, dessen Ursprünge auf das Jahr 1913 zurückgehen. Die 67 Mitarbeiter kehren sozialverträglich ab oder wechseln in andere Arbeitsplätze.
Für die dadurch entfaltende Drucklufterzeugung gehen am Haardschacht mit Fremdstrom betriebene Turboverdichter für zusammen 40.000 Ncbm angesaugte Luft stündlich in Betrieb. Aus dem vom Haardschacht gespeisten Druckluftnetz der Grube bezieht die bisherige Dampffördermaschine Schacht 3 in Erkenschwick ihre Energie.
Das Warmwasser für Heizung und Waschkauen in Erkenschwick erzeugen ersatzweise vier neue koksbefeuerte Kessel von je 1 MW und ein wahlweise mit Grubengas oder im Bedarfsfall auch Öl zu heizender Kessel mit 3 MW für 13.500 MWh Wärmemenge aus 1,8 Millionen Ncbm Grubengas und 1100 Tonnen Koks. Kokszufuhr und Entaschung erfolgen selbständig. Das Rauchgas strömt entstaubt einem 40 m hohen Abzugsrohr zu.
Eine 23 Jahre alte elektrische Fördermaschine von der Zeche Wilhelmine-Victoria ersetzt die 62 Jahre alte, von der Eisenhütte Prinz Rudolph in Dülmen gebaute Dampfmaschine des Schachtes 2 Westen. Am Schacht 3 ersetzt ein erst zwölf Jahre alter Radiallüfter von der stillgelegten Zeche Waltrop den über 70 Jahre alten bisherigen Lüfter. Er wird mit 1.600 kW angetrieben, hat verstellbare Schaufeln und fördert 15.400 cbm Wetter minütlich. Der Wetterkanal wird strömungsgünstiger und der Diffusor schallschluckender gestaltet, dieser wird in die alte Fassade des Gebäudes "integriert".
Im Anschluß an die Verleihung von Grubenwehrehrenzeichen an Grubenwehrmänner im November 1985 weiht die Grubenwehr im alten Verwaltungsbau in Erkenschwick ihre selbst ausgestatteten neuen Räume ein; die ehemaligen Grubenwehrräume auf dem Kokereigebäude werden aufgegeben.
Am 1. Juli 1986 werden der Förderschacht Ewald Fortsetzung 1 und die Aufbereitung nach Aufwendungen von rd. 8 Millionen DM wieder in Betrieb genommen. Damit sind die bisher bestehenden Engpässe in der gemeinsamen Förderung mit General Blumenthal, die ein Überschreiten der 6.000 Tonnen Fördergrenze verhindern, endlich beseitigt. Fast umsonst wären jedoch die monatelangen Mühen und Kosten durch Herabstürzen eines 6 m langen Stahlträgers in den Schacht beim Wechseln des Fördergefäßes gewesen. Zum großen Glück beschädigt er auf dem 950 m langen Fallweg nur wenig.
Im Juli 1986 wird der 45jährige Manfred Köppler Nachfolger des in den Ruhestand getretenen Ernst Bartsch als Betriebsdirektor für Personal- und Sozialwesen; er war vorher Abteilungssteiger und Angestelltenvertreter im Betriebsrat der Zeche Minister Achenbach.
Im September 86 stellt die Künstlerin Ilse Schiebel anläßlich der Feiern zum 60jährigen Bestehen der Stadt Oer-Erkenschwick in der Kreissparkasse Werke über das architektonische Innenleben der Stadt aus. Häuser der Arbeiterkolonien und die Zeche werden in zahlreichen Motiv-Variationen festgehalten und wie sie als "Zugereiste", hier heimisch gewordene, eine vom Bergbau geprägte Kleinstadt erlebt.
Neuer Vorstandssprecher der Bergbau AG Lippe nach Dipl.-Ing. Herbert Kleinherne wird Anfang November 1986 der 57jährige Bergrat a.D. Rainer Kolligs, vorher Generalbevollmächtigter der Ruhrkohle AG.
BILD 244 Werke der Künstlerin Ilse Schiebel
BILD 245 Parklandschaft Halde Ewald-Fortsetzung
Am 14. November besucht Max von der Grün die Zeche. Nach 23 Jahren fährt er zum ersten Male wieder in ein Bergwerk ein. Seine Eindrücke schildert Max von der Grün in einer Reportage des Westdeutschen Rundfunks "Was ist geblieben vom alten Pütt?". Eine Veröffentlichung mit Illustrationen erscheint als Handbuch.
Der Assessor des Bergfachs Hans Bertram Baar, vorher Grubenbetriebsführer auf der Zeche Zollverein, wird Stabstellenleiter als Nachfolger von Dr. Henning Kublun, der Betriebsdirektor für Produktion auf der Zeche Ewald wird.
Gewerkschaftlich organisierte Straßenversammlungen von Bergleuten und Bürgern im Raum der Zechen Haard, General Blumenthal und Consolidation unterstützen 1987 die Forderung der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie nach Drosselung der Kernenergie zugunsten des Kohleverbrauchs.
Am 4. Februar 1987 stellt das Bergwerk einen Rahmenbetriebsplan für die Folgenutzung der kontaminierten ehemaligen Betriebsflächen der Kokerei, des Stickstoffwerkes und des Steag-Kraftwerks sowie angrenzender Flächen wie Kokslagerplatz, Holzplatz und Landabsatzplatz.
Eine aktive Sanierung des Gesamtgeländes scheidet aufgrund der nicht kalkulierbaren Sanierungsmenge und fehlender Endlagerungsflächen aus.
Mit den zuständigen Behörden einigt man sich nach einem Gestaltungsplan des Landschaftsarchitekten Karsch auf Überschüttung des Geländes unter Einbeziehung der bestehenden Halde. Vor Überschüttung ist lagenweise eine Basisabdichtung von mindestens 1 m Stärke aus geeignetem Bergematerial aufzubringen. Es ist ein Wasserdichtigkeitswert von mindestens 10-8 m/sec sicherzustellen.
Die entstehende Parklandschaft mit Wanderwegen, Rastplätzen und Teichen erhält eine Gesamtfläche von rund 65 ha. Bereits endgestaltet ist der alte Teil der Halde mit rd. 20 ha und 100.000 Gehölzen. Der höchste Punkt der Halde liegt bei 127 m NN.
Aufgrund der neuen Zielsetzungen wird die im Gebietsentwicklungsplan festgelegte Umwandlung in Wohnsiedlungsbereiche bzw. Gewerbe- und lndustrieansiedlungsbereiche hinfällig. Die zum Austausch gegen künftiges Betriebsgelände am Förderstandort Ewald-Fortsetzung 4/5 gedachten Flächen stehen nicht mehr zur Verfügung und müssen in Zusammenarbeit mit der Stadt Oer-Erkenschwick mühsam beschafft werden.
Am 26. März 1987 stellt das Ingenieurbüro für Landschafts- und Umweltplanung Frölich & Sporbeck die beabsichtigte Vorgehensweise zur Erstellung der ökologischen und landschaftsplanerischen Untersuchung zur Abbauplanung Olfen einem Behördenarbeitskreis, der von Dr. Baedeker vom Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Ökologie federführend geleitet wird, vor.
BILD 246 Bürgermeister Clemens Peick
Die Untersuchung ist als Pilotstudie für die Umsetzung der im Gesamtkonzept der Landesregierung zur Nordwanderung des Steinkohlenbergbaus angekündigten Verwirklichung einer neuen Planungsmethodik konzipiert.
Die erste Phase der Untersuchung umfaßt die Bestandserhebung, Bestandsanalyse und Bewertung der Landschaftsfunktionen und des Landschaftspotentials, aus denen Aussagen zur Nutzungsfähigkeit, Schutzwürdigkeit und Empfindlichkeit abgeleitet werden.
Die zweite Untersuchungsphase bildet die Ermittlung und Darstellung der zu erwartenden bergbaulichen Auswirkungen auf den Naturhaushalt und das Landschaftsbild.
Betriebsdirektor für Produktion wird im Mai 1987 der 47 jährige Assessor des Bergfachs Klaus Otto, vorher Stabstellenleiter auf der Zeche Fürst Leopold, als Nachfolger des zur Ruhrkohle AG in Essen wechselnden Dipl.-Ing. Jürgen Lange.
Der im Gesundheitsdienst der Zeche tätige Clemens Peick wird im Mai 1987 Bürgermeister von Oer-Erkenschwick nach Heinz Netta. Tagesbetriebsführer wird im Juli 1987 der 56jährige Heinz Geppert, vorher in gleicher Stellung auf der Zeche Zollverein, als Nachfolger des in den Ruhestand getretenen Ernst J. Schmiedel. Den Arbeitsschutz übernimmt Fahrsteiger Schüssleder von Fahrsteiger Peters.
Beim 14. Grubenwehrausdauerlauf am 24. Mai 1987 erkämpft sich die Grubenwehr des Bergwerks, die den 10.000 m Lauf in der Haard auch ausrichtet, einen ersten Platz. Es nehmen insgesamt 35 Grubenwehren mit rd. 1300 Läufern teil. Truppführer Schüssleder gestaltet eine Guß-Kachel für die erfolgreichen Teilnehmer.
BILD 247 Guß-Kachel 14.Grubenwehrausdauerlauf 24.05.1987
Außer den 250 Werkshäusern mit 2150 Wohnungen aus der Zeit vor 1930 gibt es 1570 nach 1950 errichtete Wohnungen. Nach 1960 werden Mietshäuser mit mehr als je fünf Wohnungen gebaut. Mietkaufeigenheime sind im Bau. Für diese ist eine Mindestmietzeit der Bewohner von drei Jahren vorgesehen; sie können danach erworben werden.
Die Grube erhält Besuch von Kgl. Hoheit Prinz Leopold von Bayern in Begleitung des Grafen Strachwitz sowie später des Bundeslandwirtschaftsministers Ignaz Kiechle. Dieser sieht die sehr verwandten Schwierigkeiten von Bauern und Bergleuten und versichert, auch den Kohlenbergleuten gewogen zu sein.
Der Diplom-Kaufmann Hans Messerschmidt, vorher Leiter der Abteilung Planung und Überwachung bei der VEBA, wird als Kaufmann Vorstandsmitglied der Bergbau AG Lippe für den in den Ruhestand tretenden Professor Hermann Georg Griebel.
BILD 248 Jubiläum Hermann Siewers
Oberführer der Grubenwehr wird Fahrsteiger Werner Köhler nach Günter Appelhans. Arbeitsmediziner wird Dr. Norbert Brosch für Dr. Alexander Chimombe.
Das Bergamt leitet seit Oktober 1988 Bergdirektor Aloys Berg als Nachfolger des in Ruhestand getretenen langjährigen Bergamtsleiters Bergdirektor Georg Schlüter. Dieser “hinterläßt" die Bergoberamtsräte Urselmann und Rother, seit 1957 bzw.1966 am Bergamt, sowie die Bergräte Tollmien und Grigo, die Bergamtmänner Martens und Lanfer, den Bergoberinspektor Jablonski und die Grubenkontrolleure Sußek und Kästner u.a. Neue technische Mitarbeiter am Bergamt sind Oberbergrat Didlaukies, der Bergrat Obstfeld, der Bergamtmann Gralla und der Bergoberinspektor Gruschwitz.
Im September berichtet Bergwerksdirektor Stark auf dem Steinkohlentag über Voraussetzungen und Erfolge beim Umsetzen von Strebausrüstungen mit Gleislostechnik. Gleislosfahrzeuge befördern Mannschaften und Betriebsmittel umsteige- bzw. umschlagfrei zwischen Schacht und Kopfstrecke des Abbaubetriebes Zollverein 2/3 2 Süden. Betrieben werden Omnibusse für 22 Personen. Man erwartet, außer Schonung von Arbeitskraft und Gesundheit, Einsparung von Arbeits- und Sachkosten durch Verkürzen der Fahrungszeiten und durchgängiges Transportieren von Betriebsmitteln.
Mit dem Heben des ersten Kübels beim Weiterteufen Schacht 5 am 18. August zur geplanten 1100-m-Sohle wird der erste Schritt in eine neue Zukunft des Bergwerks Haard, drei Jahre später als geplant, eingeleitet. Der Schacht ist Ansatzpunkt und Schlüssel zur Ver- und Entsorgung der Auffahrung der neuen - 1020-m-Sohle mit einer Vollschnittmaschine und der Anbindung des Olfen-Feldes an das Bergwerk.
Am 1. November 1989 wechselt Betriebsdirektor Klaus Otto zum Bergwerk Fürst Leopold. Seine Nachfolge tritt Assessor des Bergfachs Armand Wester an. Dieser ist in der Zeit vom 01.09.1962 bis 1973 auf dem Bergwerk Hugo als Fahrsteiger, Obersteiger und Inspektor tätig, wechselt dann als Inspektor zum Bergwerk Zollverein. 1979 wird er zum Betriebsdirektor befördert. Nach Stillegung der Anlage wechselt Herr Wester wieder zum Bergwerk Hugo. Von 1986 bis 1989 leitet er die Hauptabteilung Sicherheit bei der BAG Lippe.
Im April 1989 feiert Betriebsführer Hermann Siewers sein 40jähriges Dienstjubiläum. Im Kreise seiner Mitarbeiter tragen Mitglieder der Grubenwehr einen Auszug seiner im Laufe der Jahre entstandenen Lieder “von dem herrlichen Leben auf unserem Pütt" vor.
Ende Dezember werden Betriebsführer Hermann Siewers, Obersteiger Karl Stelzel und Assessor des Bergfachs Armin Schneider in den Ruhestand verabschiedet.
Bergwerksdirektor Stark zeichnet Lebens- und Berufsweg seiner langjährigen Mitarbeiter auf. Sie haben mit Zielstrebigkeit und Engagement der Zeche gedient und wichtige “Pflöcke" gesetzt bei der Weiterentwicklung des Bergwerks sowohl in technischer als auch in menschlicher Hinsicht. Mit Gleichmut und Gelassenheit können sie das Feld ihrer Arbeit verlassen und in den wohlverdienten Ruhestand treten. Stark überreicht eine noch unvollständige Chronik des Bergwerks Haard und sagt Dank für die geleistete Arbeit.
Der 33jährige Dipl.-Ing. Ulrich Krüger, als Obersteiger vom Bergwerk Fürst Leopold kommend, wird ab 01.01.1990 Grubenbetriebsführer für den ausscheidenden Hermann Siewers. Stellvertretender Betriebsführer wird der Obersteiger Heinz van t 'Hof. Obersteiger für den Abbau wird ab März der vom Bergwerk Schägel & Eisen kommende Fahrsteiger Manfred Zech.
BILD 250 Verabschiedung Siewers, Stelzl, Schneider
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