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9-3 Aufschluß des Haardfeldes, Förderverbund und Abbauverlagerung (1975 - 1978)




Die für 1975 vorgesehene Stillegung von Ewald Fortsetzung wird bis Mitte 1978 verschoben, um zwischenzeitlich den nachhaltigen Ertrag des Haardfeldes zu sichern. Der Aufsichtsbereich des Bergwerks Ewald Fortsetzung wird um das Baufeld Haard erweitert; es besteht aus Teilflächen der Felder "An der Haard" und "Haltern II".

Ab November 1975 fließen die im Haardfeld gewonnenen Kohlen dem Förderschacht General Blumenthal 11 in Herne-Wanne zu. Ein "Verteiler" mit Nebenschlußbunker nimmt Förderströme dieses Feldes von Norden und Süden, dann auch von Osten auf und übergibt sie unmittelbar oder über den Nebenschlußbunker als Puffer auf das Sammelband in der Verbindungsstrecke zur Zeche General Blumenthal. Dieses führt ab April 1976 auf dem Untergurt Brechberge heran, die über einen kleinen Bergebunker dem Förderband zum Schacht 1 in der 1. Abteilung übergeben werden. Die südlich des Hauptverteilers anfallenden Eßkohlen aus Flöz Finefrau fließen über einen Gesteinsberg ebenfalls dem Nebenschlußbunker zu. Dieser von dem Unternehmer Heitkamp gebaute 600 Tonnen Kohlen fassende 27m hohe Bunker besteht wie seine freistehende zentrale Innenwendel mit Doppeleinlauf aus Stahlbetonfertigteilen.

Im Juni 1976 überreicht die Bergbau AG Lippe dem Landesoberbergamt einen Rahmenbetriebsplan für Aufschluß und Abbau der Kohlenvorräte im Bereich Haard/Haltern. Nach der Planung werden die Felder Haltern und An der Haard an die Bergwerke General Blumenthal und Ewald-Fortsetzung angeschlossen und als Anschlußbergwerke weiterentwickelt. Aufgrund der untertägigen Streckenaufschlüsse, rd. 76 km seismischer Untersuchungen und 13 Tiefbohrungen sind in diesem Planungsraum bis zu einer Teufe von 1200m NN 30 bauwürdige Flöze mit einem Planvorrat von 343 Millionen Tonnen Kohlen in langfristige Abbauüberlegungen einbezogen worden.

BILD 171 Planungsraum Haard/Haltern

BILD 172 Baufeldplan Haard/Haltern

Geologische Strukturen teilen den 67,5 qkm großen Planungsraum in die Baufelder An der Haard und Haltern. Die gemeinsame Grenze zwischen beiden Baufeldern bildet der Auguste-Victoria-Wechsel. Der Lagerstättenbereich An der Haard erweist sich als eine flache Spezialmulde, die sich zwischen dem Schlägel & Eisen/General-Blumenthal-Sattel im Süden und dem Auguste-Victoria-Sattel im Norden aus dem Vestischen Hauptsattel entwickelt, sich nach Osten öffnet und mit der Lüdinghausener Mulde deckt. Das Baufeld Haltern wird von der Lippemulde bestimmt. Beide Baufelder gliedern sich durch Sprünge in je vier Abbaubereiche. Das Feld An der Haard wird zwischen Dattelner Sprung im Westen und Waltroper Sprung im Osten begrenzt und durch den 500m verwerfenden Haltener Sprung in ein West- und Ostfeld aufgeteilt, so daß unter dem Deckgebirge im Westen Eß- und Fettkohlen und im Osten Gaskohlen anstehen. Unter 800m mächtigen Deckschichten wird bis in 1200m Teufe ein Vorrat von rd. 150 Millionen Tonnen erwartet.

Die Zuschnittsplanung des Gesamtraumes sieht vor, die in jeweils 4 Teilbaufeldern gegliederten Abbaubereiche Haard und Haltern durch vier Querschlagsachsen aufzuschließen. Diese sind durch Richtstrecken im Süden, in der Mitte und im Norden verbunden. Zum Aufschluß gehören drei Tagesschächte im Feld Haltern und ein Tagesschacht im Feld An der Haard, die keine Kohlen heben sollen. Zusätzlich werden sieben vorhandene außerhalb der Haard stehende Schächte für die Zu- und Abfuhr von Wettern weitergenutzt. Gegenüber der bisherigen Planung werden der Schacht Emscher-Lippe 6 und der Schacht Ewald-Fortsetzung 4 ausziehend sein und sollen mit leistungsfähigen Lüfteranlagen versehen werden. Als Ersatz für den ausfallenden Frischwetterweg über Schacht 6 wird für die 2. Achse Frischwetteranbindung an Schacht 5 auf der 950-mSohle vorgesehen. Die projektierte Flözführung und die für die einzelnen Abbaubereiche ermittelten Vorräte sehen Ansatzpunkte für insgesamt 15 Abbaubetriebe vor, davon sechs im Baufeld Haltern und neun im Baufeld An der Haard. Zur Kohlenförderung stehen die Schächte General Blumenthal 11 und Ewald-Fortsetzung 1 zur Verfügung, deren Kapazitäten 14000 tv/d bzw. 6000 tv/d betragen.

Bei Prüfung des Planes fällt der geplante Schacht "An der Haard 1" auf, der am weitesten in das Waldgebiet Haard greift. Er wird als erster für die Weiterentwicklung des Abbaus von Ewald-Fortsetzung aus benötigt. Aus bergmännischen Sicht ist er dort vorgesehen, wo er der Kohlengewinnung möglichst langfristig, wirtschaftlich, technisch und sicherheitlich bestens dienen kann: 5 bis 6 km nördlich der Frischwetterschächte Ewald Fortsetzung 1, 2 und 5 und streichend gemessen, etwa baufeldmittig zwischen der ersten und geplanten vierten Baufeldachse nahe der zweiten Querschlagsachse. Ferner so weit östlich des vermuteten Verlaufs des Halterner Sprunges, daß dieser ihn nicht schneidet und der Abbau in dem ihn umgebenden flachen Muldenflügel mit den Zollvereinflözen so geführt werden kann, daß die Schachtröhre möglichst wenig Schaden nimmt.

Diese Stelle liegt in Datteln-Ahsen knapp 1000m südlich des zum wilden Baden geschätzten "Baggersees", eines nach Süden in die Haard fortschreitenden Sandtagebaues der Westdeutschen Quarzwerke. Von dem umgebenden, von dünner Humusschicht überzogenen, hügeligen, kiefernbewachsenen und forstwirtschaftlich genutzten Grund und Boden sind für den Schachtplatz rd. acht Hektar käuflich zu erwerben.

Das weniger als 0,2% des 5000 Hektar großen Naherholungsgebietes Haard umfassende Flächenstück gerät in den Zwiespalt von Landschafts- und Naturschutz einerseits und Rohstoffgewinnung und Arbeitsplatzsicherung andererseits. Ein maßstäbliches Modell der Haardlandschaft mit Schachtplatz wird Mittelpunkt einer für die Bevölkerung aufgebauten Aufklärungsausstellung am vorgesehenen Teufplatz. Zahllose Fachvorträge erläutern dort und in Nachbargemeinden das technische Vorhaben und müssen immer wieder Vermutungen zerstreuen, der geplante Schacht sei erster Schritt einer folgenden Zerstörung der Haard durch rücksichtslosen Industriebau.

Im September hebt der Landesminister für Landwirtschaft und Forsten, Dr. Dieter Deneke, am Ort hervor, "traditionelle Prioritäten" müßten sich hier Einschränkungen gefallen lassen. Er ruft aber auf, keine "harten Fronten" aufzubauen; man könne weder dem Steinkohlenbergbau den Lebensnerv nehmen, noch den Erholungswert der Haard übergehen. Vorstandsmitglied Kleinherne trägt das Vorhaben im Oktober dem Dattelner Rat vor und Vorstandssprecher Dr. Messerschmidt bemerkt, längere Wege unter Tage seien sicherheitlich und wirtschaftlich nicht mehr tragbar und erfordern den Schacht unter Schonen des Haardwaldbestandes.

Anfang Dezember 1976 erklärt der Grubensicherheitsausschuß des Landtags vor Ort, der Bergmann habe aus sicherheitlichen und gesundheitlichen Gründen Anspruch auf kurze Wege zwischen Grubenarbeitsplatz und Schacht.

BILD 174 Querschnittrisse

BILD 175 Teufplatz

Das Landesoberbergamt erhebt gegen den Gesamtbetriebsplan Einspruch, weil öffentlich rechtliche Belange abzuwägen seien. Die obere Bergbehörde betont, sie beteilige pflichtgemäß alle von dem Plan Betroffenen an dessen Prüfung, entscheide aber allein über seine Durchführung. Mehr Demokratie sei nur noch durch Anhörung auf einem Marktplatz möglich. Um weniger Zeit zu verlieren, beantragt die Bergbau AG Herne/Recklinghausen daher beim zuständigen Bergamt Marl zunächst nur das 1100m tiefe Teufen des Schachtes "An der Haard 1 " als Frischwetterschacht mit 8m Durchmesser und drei Anschlägen in den vom Grubengebäude Ewald-Fortsetzung vorgegebenen Sohlenteufen 800, 950 und 1100m. Damit sollen die Kohlengewinnung erhalten, die Arbeitsplätze gesichert und der von den vorhandenen Tagesschächten bis zu 7 km entfernten Grubenbetrieb ausreichend bewettert werden.

Der Gesteinsunternehmer Gewerkschaft Wisoka fährt entsprechend dem neuen Plan von Schacht 5 aus auf der 950m-Sohle nach Norden die zweite Frischwetteranbindung für das Haardfeld auf. In der 1. Abteilung wird der Blindschacht 11 mit 5,5m lichtem Durchmesser geteuft; der Querschlag 1 Ost, 950-mSohle, ist noch rd. 400m von ihm entfernt. Der Querschlag 2 Ost, 800-mSohle, hat nördlich der Schächte 4/5 eine Länge von 2500m und steht 500m vor Flöz Karl. Die Auffahrleistung beträgt hier rd.4-5 m je Tag.

Im Januar 1977 bewilligt der Aufsichtsrat, dem auch Betriebsratsvorsitzender Saland angehört, 65 Millionen Mark für den geplanten Schacht "An der Haard 1".

Das Fernsehen läßt in einer Sendung "Kohlenschächte im Erholungsgebiet" Vorstandsmitglied Kleinherne und den Sprecher des Grünflächenvereins "Pro Grün", Horst Ley, kontrovers diskutieren. Ley wehrt sich gegen Seilfahrt und Materialschächte in der Haard und fordert ökologische Gutachten. Er behauptet, Ruhrkohle habe andere Schachtstandorte gar nicht erst erwogen; Arbeitgeber und Gewerkschaft seien hier eng verbündet. Die Behörden geben je ein bergmännischen, ein arbeitsphysiologisches, ein lärm- und erschütterungstechnisches und ein ökologisches Gutachten in Auftrag. Nach einer Grubenfahrt in den entferntesten Abbau im Flöz Karl stellt Landesminister Dr. Deneke vor der Belegschaft im Februar 1977 fest, Lebensqualität müsse auch unter Tage gelten und man könne dort nicht verwehren, was über Tage selbstverständlich sei. Im Zusammenspiel von Umweltschutz, Lebensbedingungen und Wirtschaftswachstum beginne ein neuer Abschnitt. Wer die Kernenergieprobleme ernst nehme, müsse sich um so mehr für die Kohle stark machen.

BILD 176 Ansatzpunkte zum Aufschluß des Haard-Haltern-Feldes

Das von Professor Reuther von der Technischen Hochschule Aachen erstellte Gutachten bestätigt den bergtechnisch in jeder Hinsicht richtigen Standort des Schachtes "An der Haard 1" zur ausreichenden Bewetterung, Seilfahrt und Materialbeförderung und um die Wege unter Tage im Gefahrenfall und zur Arbeitserleichterung kurz zu halten. Professor Rutenfranz aus Dortmund führt aus arbeitsphysiologischer Sicht aus, Seilfahrt auch am Schacht An der Haard 1 verbessere notwendig die Arbeits-, Fahrungs- und Fluchtwegbedingungen unter Tage. Der "Technische Überwachungsverein" kommt zu dem Ergebnis, daß der Schachtbetrieb ab 150m Entfernung Schallpegelrichtwerte für reine Wohngebiete erfüllt und Baugrunderschütterungen durch besondere Fundamente der Maschinen vorgebeugt werden könne. Die Landesanstalt für Ökologie rät dazu, den Schachtstandort in eine Mulde zu legen, die Gebäude architektonisch gedrungen zu gestalten, die Betriebsflächen abzuschirmen, den Autoverkehr auf ein Mindestmaß zu beschränken und die Gruben- und Betriebswässer geschlossen abzuleiten. Der Rat der Stadt Datteln ist mit dem bergbaulichen Gesamtvorhaben einstimmig einverstanden.

BILD 177 Dr. Dieter Deneke, Herbert Kleinherne, Hans Holobar

Im Mai fahren der Führer der Christdemokraten im Landtag, Heinrich Köppler und die Landtagsmitglieder Rudi Nickels und Gelsenwasser-Vorstand Dr. Benno Weimann auf den Zechen General Blumenthal und Ewald Fortsetzung an und stellen sich mit Nachdruck hinter das Vorhaben.

BILD 178 Heinrich Köppler, Bernhard Jünemann

Im Juli 1977 laßt das Bergamt Marl das Abteufen des Schachtes "An der Haard 1" an der vorgesehenen Stelle zu. Betriebsdirektor Stark und Betriebsratsvorsitzender Saland nennen diesen Tag vor der Belegschaft "bedeutsam in der Zechengeschichte". Stark erläutert, der fertige Schacht gestatte wesentlich besser zu bewettern, weitere Kohlenvorräte für den Abbau zu erschließen und Arbeitsplätze zu sichern; erst der Schacht rechtfertige die bisherigen hohen Vorleistungen. Die Zeit bis zu dem Ende 1980 zu erwartenden Frischwetterdurchschlag der 950m-Sohle sei schwer und müsse mit guter Förderung und Leistung überbrückt werden. Zwar habe der Vorstand zäh und ausdauernd die Genehmigung zu beschleunigen versucht, doch habe der Streit um den Standort das Verfahren verlängert. Großes Verdienst gebühre Planern und Ingenieuren, namentlich Markscheider Rawert und Bergassessor Scholz, das Vorhaben Behörden, Politikern und Laien immer wieder erläutert zu haben, um sie dafür zu gewinnen. Heute könne jedoch beste Planung und Technik ohne Wohlwollen der Politiker nicht mehr greifen. Hier hätten Betriebsratsvorsitzender Saland, dessen Kollege Heumüller und Bürgermeister Netta die Weichen gestellt und das Anliegen den Landesministern Dr. Deneke und Dr. Riemer, dem Landtag von Nordrhein-Westfalen und den Mitgliedern des Grubensicherheitsausschusses nahegebracht. Sein Dank gelte ihnen und allen Freunden.

Am 11. Oktober 1977 ist feierliches Anhauen des Schachtes. Festansprachen halten von der Betriebsführungsgesellschaft, die inzwischen Bergbau AG Lippe heißt und einschließlich der Zechen Ewald, Hugo, Consolidation, Nordstern und Zollverein über 803 qkm Feldesfläche und 51 Millionen DM Grundkapital verfügt, die Bergwerksdirektoren Dr. Messerschmidt und Kleinherne, ferner Bergwerksdirektor Jünemann, Gesamtbetriebsratsvorsitzender Brandau und Dattelns Bürgermeister Niggemeier, in dessen Gemeinde der Schacht stehen wird.

BILD 179 Erster Spatenstich durch Uwe Berghoff

Dr. Messerschmidt führt unter Hinweis auf den scheinbaren Widerspruch zwischen mangelndem Kohlenabsatz und dem Bau neuer Schächte aus, die Bundesregierung müsse zu dem im Energieprogramm dem Steinkohlenbergbau erteilten Versorgungsauftrag stehen; der Steinkohlenbergbau dürfe nicht bei Energiemangel als Lückenbüßer herhalten und bei Überfluß sich selbst überlassen bleiben. "In wenigen Minuten wird der erste Spatenstich für den Schacht An der Haard 1 vollzogen und damit ein sichtbares Zeichen für den Aufschluß bisher noch nicht genutzter Teile des Ruhrkarbons unserer Steinkohlenlagerstätte gesetzt werden," leitet Vorstandsmitglied Kleinherne seine Festrede ein. Der Schachtstandort habe bei schärfstem Umweltbewußtsein zu mancher Kritik geführt, er sei aber notwendig, "wenn wir den im Energieprogramm der Bundesregierung von uns erwarteten Beitrag zur Sicherung der deutschen Energieversorgung leisten wollen." Man dürfe nicht übersehen, daß bis etwa 1987 mehr als 8 Millionen Tonnen Jahreskohlenfördermenge allein bei der Bergbau AG Lippe ausfallen und damit auch die Belegschaft erheblich verringert werden müßte, wenn nicht neue Lagerstättenbereiche schnell aufgeschlossen würden, um die ausgekohlten zu ersetzen. Neue Bereiche lägen aber beim Ruhrkarbon grundsätzlich nördlich der ausgekohlten und auch tiefer. Moderne Tiefbautechnik könne besonders erfolgreich in flachen geologischen Großmulden eingesetzt werden. Das seien bei noch erträglicher Deckschichtmächtigkeit bis zu 1000m die Lippemulde und die Lüdinghausener Mulde südlich Haltern. Sie führen wie durch zahlreiche bis zu 1500m tiefe Bohrungen und geophysikalische Messungen nachgewiesen sei, unter 67 qkm Fläche rd. 560 Millionen Tonnen Kokskohlen, in die der Abbau der weitgehend ausgekohlten Zechen Ewald Fortsetzung und General Blumenthal schrittweise übergehen könne; diese Mulden ließen langfristig Abbau von 4 bis 5 Millionen Tonnen Kokskohlen jährlich zu. Daher werde die Bergbau AG Lippe für insgesamt eine Milliarde Mark noch drei weitere Schächte für Seilfahrt und Materialbeförderung teufen sowie über 100 km Gesteinsstrecken auffahren lassen. Die Schächte seien Versorgungsschwerpunkte für die sicherheitliche Bestgestaltung der bergmännischen Arbeitsplätze. Ein großes Vorhaben in die Tat umzusetzen, bedürfe der Anstrengungen aller. Gemessen an dem zu erwartenden Erfolg halte er aber den Aufwand besonders im Hinblick auf nachhaltiges Sichern von 10000 Arbeitsplätzen bei der Bergbau AG Lippe im Vest Recklinghausen für nicht zu hoch. Auf Dauer werde sich auch die Besiedlung weiter in das nördliche Ruhrgebiet verlagern; auch der wirtschaftliche Bereich werde belebt und besonders Klein- und Mittelbetriebe würden günstige Standorte zur Bedarfsdeckung von Bergbau und Bevölkerung finden. Die Planer fühlten sich dem besonderen Charakter der Haard verpflichtet. Das "Haardmodell" zeige, wie gut sich die Schachtanlage als Arbeitsergebnis von Landschaftsgestaltern und Architekten in die Landschaft einfügen werde. Auch das lasse zuversichtlicher erwarten, daß der im Juni 1976 eingereichte Rahmenbetriebsplan kurzfristig zugelassen werde, um den Aufschluß neuer Abbaubereiche und die Sicherung von 10000 Arbeitsplätzen auf fester Grundlage fortführen zu können.

Bergwerksdirektor Jünemann betont, die Kohlenvorräte Ewald-Fortsetzung einschließlich der bis dahin aufgeschlossenen Vorräte im Feld "An der Haard" reichten höchstens bis etwa 1985, wenn der Abbau sich nicht weiter ausdehnen könne; das aber sei nur mit diesem zusätzlichen Frischwetterschacht möglich. Bei Auswahl des Standortes habe man es sich nicht leicht gemacht, denn der Bergmann schätze den Erholungswert der Landschaft mindestens ebenso hoch wie jeder andere Bürger. Entsprechend dem Frischwetterbedarf der Grube von 24000 cbm je Minute müsse der Schacht 8m Durchmesser erhalten und solle bis 1100m Teufe niedergebracht werden. Unter rd. 800m Deckgebirge seien rd. 300m Steinkohlengebirge mit sieben bauwürdigen Flözen bis Flöz Zollverein 8 zu erwarten, die zusammen etwa 10m Kohlenmächtigkeit hätten. Die oberen Deckgebirgsschichten seien lose Sande, die bei Wassersättigung zum Fließen neigen; die Schichten verfestigen sich aber bis tiefstens 140m. Das verlange, die oberen 160m als Mantel um den geplanten Schacht herum vor Teufbeginn durch Gefrieren zu verfestigen und beim Teufen im Schutz dieses Frostmantels den Schacht durch dichten Ausbau abzusichern, der sowohl nach Auftauen des Mantels wie auch später durch Abbau möglichst keinen Schaden nimmt. Es sei für diesen Abschnitt gleitender Ausbau nach Professor Lütgendorf vorgesehen, der Pressungen und Stauchungen bis zu 3,5 mm je m Schacht aufnehmen könne und bei schachtnahem Abbau die verhältnismäßig größten Krümmungen der Schachtsäule ertrage.

BILD 181 Entwurf Prof. Dr. Henn, München

Unterhalb 160m Teufe werde gebirgsverbundener Ausbau mit rd. 4,5 m hohen Betonzylindern eingebracht, dessen Wandstärke von 40 cm jeweils an der Nahtseite zum nächsten Zylinder auf nur 10 cm zurückgehe, um durch den Kohlenabbau zu erwartende Stauchungen und Krümmungen der Röhre möglichst zerstörungsfrei aufnehmen zu können. Der Schacht werde durch die Schachtbauunternehmung Deilmann-Haniel GmbH abgeteuft, die Firma Dyckerhoff GmbH habe den Teufplatz hergerichtet. Jünemann dankt Vorstand und Aufsichtsrat für den unternehmerischen Entschluß zum Teufen, den Vertretern der Öffentlichkeit aus Politik und Verwaltung für die Unterstützung, den Kollegen im eigenen Haus für ihre Mitarbeit und wünscht der Teufmannschaft unter Betriebsführer Schmitz Erfolg. Der jüngste Bergmann der Zeche, Uwe Berghoff, übernimmt den ersten Spatenstich. Dem Festakt folgt bei schönem Herbstwetter ein großes Zeltfest für Belegschaft und Freunde, das den für die Zeche und ihre Männer so hoffnungsvollen Tag beschließt.

Im April 1978 läßt das Bergamt Marl auch Seilfahrt und Materialförderung für den geplanten Schacht An der Haard 1 zu, untersagt aber Befördern und Aufhalden von Haufwerk aus dem fertigen Schacht, beschränkt die übrige Güterbeförderung über die Redder Straße ab Katenkreuz im wesentlichen auf den Vormittag und erwartet weitestgehende Personensammelbeförderung.

Im Frühjahr 1978 werden 800- und 950m-Sohle und 1. und 2. Querschlagsachse über einen Gesteinsberg nach Flöz Karl und die aus der 1. Abteilung herangeführte Aufklärungsstrecke Karl durchschlägig; das Flöz Karl östlich Abteilung 2 0st war bereits vorher umfahren. Etwa gleichzeitig wird der Querschlag 2 Ost 950m-Sohle von Schacht 5 durchschlägig, in dem sich die Vortriebe der Gesteinsunternehmer Frölich und Klüpfel von Norden und Wisoka von Süden begegnen. Die Grubenbaue für Anschluß und Anbindung des Flözes Karl in der 2.Abteilung stellen die Gesteinsunternehmer Gewerkschaft Walter, Wisoka und Gesteins- und Tiefbau GmbH her.

Nach diesen Vorleistungen können auch die beiden letzten Abbaubetriebe Dickebank und Sonnenschein des Feldes Ewald-Fortsetzung aus rd. 1.200m Teufe im fernen Haupt-Süden ins Haardfeld in die Streben Karl 2 Norden, Abteilung 1 Ost, Blindschacht 11 und Karl 2 Osten, Abteilung 2 Ost, verlegt werden.

BILD 182 Schachtausbauschema

Ab Juli 1978 werden Kohlen nur noch im Feld "An der Haard " gewonnen. Der Kohlenförderschacht 1 und die Aufbereitung liegen still. Die Zeche heißt jetzt "Bergwerk Haard".

Anfang August 1978 beginnt das eigentliche Teufen des Schachtes An der Haard 1 und Ende Dezember sind die durch Gefrieren künstlich verfestigten Schichten durchstoßen. Als Schutz gegen Steinfall wird eine äußere Schale aus 30 cm starken, an das Gebirge gemauerten Betonformsteinen mit Spanplattenzwischenlagen mitgeführt; der Schacht ist rd. 175m tief.

In der söhligen Ausrichtung sind von den Ansatzpunkten bis zum Frischwetterschacht noch aufzufahren aus der 1. Achse rd. 800m Querschlag vom Blindschacht 11 nach Norden und 1600m Richtstrecke nach Osten sowie aus der 2. Achse ab Gesteinsberg Karl rd. 2000m Querschlag nach Norden und 500m Strecke nach Osten. Die Vortriebe in der 1. Achse belegen der Gesteinsunternehmer Frölich und Klüpfel und in der 2. Achse die Gewerkschaft Walter. Die Gesteins- und Tiefbau GmbH fährt die Abwettersohle im Bereich der 2. Abteilung nach Norden weiter.

BILD 183 Betonformsteinmauerung im Gefrierschacht

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