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4-5 Stillegung der Schachtanlage


Am 2. Juni 1931 beschließt der Grubenvorstand, die Schachtanlage Ewald Fortsetzung zum 1. Juli 1931 stillzulegen. Dem Beschluß geht - auszugsweise - folgende Begründung voraus: "Da die Stickstoffabrik infolge ihrer schlechten Ausnutzung in absehbarer Zeit keine nennenswerten Betriebsüberschüsse liefert, müssen ihre Zinsen nach wie vor vom Grubenbetrieb getragen werden. Es müssen deshalb entscheidende Beschlüsse getroffen werden, um möglichst wieder zu Überschüssen des Grubenbetriebes zu gelangen. Der Weg zu einer Gesundung des Unternehmens liegt darin, die Schachtanlagen Ewald in Herten und Resse und auch die Zeche

König Ludwig zu Lasten der Schachtanlage Ewald Fortsetzung möglichst stark oder besser noch etwas stärker zu betreiben und die Schachtanlage Ewald Fortsetzung, die wegen ihrer schwierigen Grubenverhältnisse im Jahre 1930 nicht weniger als rd. 1,35 Millionen Mark Zuschuß erfordert hat, gänzlich stillzulegen. Die Verwaltung und besonders der verstorbenen Generaldirektor Ruschen haben seit Jahresfrist oft daran gedacht, hierdurch die Lage der Gewerkschaft zu verbessern. Die Gewerkschaft König Ludwig kann der Gewerkschaft Ewald die notwendigen Kokskohlen zur Verfügung stellen, damit das erforderliche Koksgas für die Stickstoffabrik erzeugt werden kann. Wenn sich beide Gewerkschaften zu einem Kohlenverkaufsverein zusammenschließen, lassen sich ihre Betriebsergebnisse wesentlich günstiger gestalten. Beide Gewerkschaften werden dann mindestens die Zinsen verdienen, die sie beide zur Zeit so stark belasten. Auch die beiden Kokereien auf Ewald Fortsetzung und König Ludwig 4/5 können zu einer einzigen großen Zentralkokerei vereinigt und damit die Betriebskosten weiter heruntergesetzt werden. Die sich bei Konzentration der Gesamtkokereiwirtschaft auf der Kokskohlenzeche König Ludwig ergebende Gasmenge reicht nicht nur für die Stickstoffabrik und die Leuchtgasversorgung der Stadt Recklinghausen von König Ludwig aus, sondern es können auch noch erhebliche Gasmengen an die Ruhrgas AG abgegeben werden.
Die Zeche König Ludwig wird vom Stillegungstage an die Kokskohlen nach Ewald Fortsetzung liefern; damit können auch beste Kokskohlen auf Ewald Fortsetzung verkokt werden, während heute hochgashaltige Nüsse durch Schleudern zu Kokskohle umgewandelt werden und auf Ewald Fortsetzung ein schwer absetzbarer Koks erzeugt wird. Es bleibt noch die Frage, welche Formen beachtet werden müssen, damit die betriebliche Gemeinschaft der beiden Werke von Dauer ist. Zusätzlich erörtert der Grubenvorstand zur Gasversorgung des Stickstoffwerkes den Bau einer Gasleitung zur Kokerei König Ludwig 4/5. Diese erlaube entweder die Gasversorgung des Stickstoffwerkes von König Ludwig aus und Stillegung auch der Kokerei sowie Drosselung der Energieerzeugung Ewald Fortsetzung, oder - bei Weiterbetrieb der Kokerei Ewald Fortsetzung - Verkauf ihres Überschußgases nach dessen Reinigung auf König Ludwig an die Ruhrgas AG über eine zwischen König Ludwig und Herne zu bauende Leitung. Außerdem könnten die jetzt mit Überschußgas befeuerten Kessel auf Ewald Fortsetzung sinnvoller mit Ballastkohle befeuert werden.

Noch am 2. Juni 1931 erfolgt beim Demobilmachungskommissar in Münster die Stillegungsanzeige, den unterirdischen Betrieb und die damit zusammenhängenden Tagesanlagen stillegen zu wollen mit dem Hinweis, von März bis Mai hätten aus Absatzmangel auf den Zechen Ewald in Herten und Resse je 14 und auf Ewald Fortsetzung 8 Feierschichten verfahren werden müssen. Wegen mangelnder Aussicht auf Absatzbelebung sehe man sich gezwungen, die Förderung einzuschränken und etwa 2.200 Arbeiter und 130 Angestellte zu entlassen.

Neben dem Amt Datteln verfaßt auch die Gemeinde eine Entschließung: "Die Gemeindevertretung nimmt mit Bestürzung und Bedauern von der plötzlich aufgetretenen Absicht Kenntnis, sämtliche Schachtanlagen von "Ewald Fortsetzung" stillzulegen. Die Stillegung vermehrt den von der Arbeitslosigkeit betroffenen Teil der Bevölkerung von 30 auf 80% der Einwohnerschaft und macht damit 13.000 Personen demnächst zu Unterstützungsempfängern. Die Gemeindekasse verliert drei Viertel ihrer Einnahmen und kann daher Zinsen und Beiträge an übergeordnete Verbände nicht mehr leisten. Die Gemeindevertretung erwartet von der Regierung eine genaue Überprüfung der Stillegungsursache. Die Schachtanlagen sind an sich durchaus lebensfähig und können nach Angabe der Werksleitung weiter betrieben werden, wenn der zur Zeit auf 40% der Syndikatsbeteiligung beschränkte Absatz um etwa ein

Drittel erhöht wird. Die tägliche Durchschnittsleistung der Arbeiter ist auf "Ewald Fortsetzung" nach Angabe des Betriebsrates von März 1930 bis März 1931 von 0,8 auf 1,3 Tonnen gestiegen. Es darf kein Mittel unversucht bleiben, die Stillegung ganz zu verhindern oder äußerstenfalls ihre Auswirkungen zu vermindern. Vor allem müssen die Werksanlagen so unterhalten werden, daß der Betrieb jederzeit wieder aufgenommen werden kann. Dies sei um so mehr geboten, als die Werksleitung in den letzten Jahren durch Neuanlagen im Werte von vier Millionen Mark und den Bau von Siedlungen anerkannt hat, daß die hiesigen Werksanlagen ebenso ausbaufähig sind. Zur Verhandlung mit den Regierungsstellen wird eine engere Kommission gewählt."
Die Verhandlungen in Berlin bleiben erfolglos. Auch Handel und Gewerbe, Verkehrsverein und Haus- und Grundbesitzerverein verfassen eine gemeinsame Eingabe zur Stillegung.

Die Stillegungsabsicht beschäftigt am 13. Juni 1931 den Preußischen Landtag.

Auch vor dem Hintergrund einer im Januar 1931 erfolgten Lohnsenkung um 6% im Ruhrbergbau als Folge von Notverordnungen der Reichsregierung zur Gesundung der Wirtschaft mit dem Ziel niedrigerer Preise und festerer Währung nennt der "Volksfreund" am 15. Juni den, wie er schreibt, "Inhaber der Gewerkschaft Ewald", den deutschnationalen Abgeordneten Dr. W. von Waldthausen "einen millionenschweren Industriebesitzer", der im Landtag Aufheben der zu hohen Tariflöhne gefordert habe, so daß sich der Genosse Otter, Bochum, veranlaßt sah, "diesen reaktionären Industriekönig auf die Finger zu klopfen". Otter habe ausgeführt, gerade höhere Löhne würden die Wirtschaft ankurbeln; Waldthausen stehe immer an der Spitze der Reaktionäre, das gelte auch bei der Grubensicherheit. Den zur Zechenschließung führenden Absatzmangel gäbe es nur deshalb, weil das Volk zu arm sei, die Erzeugnisse zu kaufen. Wenn es den Herren mit der Kostensenkung ernst sei, sollten sie an die Jahresgehälter der Generaldirektoren denken; er - Otter - könne beweisen, daß Generaldirektor Vögler 517.000 Mark jährlich versteuere; danach wundere es nicht, wenn "für uns so wenig übrig bleibt und es dem schaffenden Volk so dreckig geht."

Das Oberbergamt beraumt auf den 18. Juni 1931 eine Stillegungsverhandlung auf der Zeche mit u.a. folgenden Teilnehmern an: Ministerialrat Lwowski (Ministerium für Handel und Gewerbe in Berlin), Hollender (Verwaltung), Sommer, Wassmann (Bergbehörde), Fritzenkötter, Wisenske, Koppelkamp, Brämer, Sickmann (Belegschaftsvertreter), Rotthaus (Christliche Gewerkschaft), Otter (Bergarbeiterverband), Landrat Schenking und Amtsbürgermeister Dr. Odenbreit.

Hollender trägt vor, die Grube Ewald Fortsetzung habe seit 1924 mit Ausnahme von 1927 Verluste gemacht. Auch der Versuch von 1928/29, die Fördermenge zu Lasten der älteren Zechen Ewald zu erhöhen, habe die Zeche nicht aus den Verlusten führen können. Nur ein höherer Absatz könne helfen. Das in die Tagesanlagen und die Schachtanlage in Rapen investierte Kapital sei aber nicht verloren, und er fährt fort: "Wenn sich keine Leute mehr finden, die Projekte auf Jahre hinaus machen und den Mut finden, sie durchzuführen, kann sich Deutschland begraben lassen. Der Unternehmerwagemut darf nicht untergehen."

Sickmann und Fritzenkötter bitten darum, kurz vor der Berufsaltersgrenze stehende Arbeiter nicht zu entlassen, vor vier Monaten eingestellte noch sechs Monate arbeiten zu lassen, damit diese Arbeitslosengeld erhalten und alleinverdienende Familienväter eher weiterzubeschäftigen als Arbeiter mit Nebenerwerb, was früher oft nicht beachtet worden sei. Hollender sagt zu, man werde sich bemühen, soziale Härten zu vermeiden und bezüglich Werkswohnungen und Deputatkohlen bleibe es wie bei den früheren Regelungen.

In der nachmittäglichen Gemeinderatssitzung erinnert Ratsmitglied Thurow von den Kommunisten an das Schicksal der Gemeinde Selm, die durch Stillegen der dortigen Zeche Hermann völlig ruiniert worden sei. Wenn die Gewerkschaft Ewald den Betrieb nicht aufrechterhalten könne, ergänzt der fraktionslose Abgeordnete Weinert, solle das Amt Datteln die Zeche übernehmen.

Dem Ministerialrat Lwowski gegenüber beziffert Hollender die Verbindlichkeiten der Gewerkschaft Ewald auf rd. 50 Millionen Mark und die der Gewerkschaft König Ludwig auf rd. 40 Millionen Mark. Diese Kreditsumme laufe fast restlos gegen Drei-Monats-Wechsel; ungedeckt seien bei Ewald 7,7 Millionen Mark und bei König Ludwig 5,4 Millionen Mark. Wenn der fast 7,7 Millionen Mark betragende Zinsendienst nicht erfüllt werde, schwinde das Vertrauen der Kreditgeber weiter. Er bittet um Stundung von 0,9 Millionen Mark Bergwerksabgaben und fährt fort, die Grubenverhältnisse Ewald Fortsetzung seien lange nicht so gut, wie man nach den geologischen Profilen meinen möchte. Eine Unzahl kleiner Störungen in den Abbaubetrieben mache ein regelrechtes Arbeiten mit langen Rutschenbetrieben fast unmöglich. Trotz schärfster Anspannung und ehrlichster Arbeit aller Beteiligten sei es bisher noch nicht gelungen, die gesamte Schichtleistung von Ewald Fortsetzung über 1,3 Tonnen zu bringen. Diese Ziffer erkläre auch, warum die Selbstkosten auf Ewald Fortsetzung etwa zwei Mark höher lägen als die der unter normalen Verhältnissen arbeitenden älteren Schachtanlagen der Gewerkschaft. Er faßt zusammen: "Wir haben schwere Monate vor uns, hoffen aber, daß die Entwicklung der Dinge es verhütet, daß zwei so alte und angesehene Gewerkschaften wie Ewald und König Ludwig bei ihrer bergbaulich so überaus gesunden Grundlage noch im letzten Augenblick vor die Hunde gehen müssen."

Erkenschwick um 1930Erkenschwick um 1930
Im Juni 1931 wird die Kohlenförderung der Zeche Ewald-Fortsetzung eingestellt und auf die Zechen Ewald in Herten und Resse und König Ludwig in Recklinghausen verlagert. Die stillgelegte Grube befahren morgens der Betriebsinspektor Obertüschen und der Wettersteiger Alt, mittags ein Steiger. Die Grube wird in den kälteren Monaten durch Selbstzug bewettert, die Kokerei wird über den Reichsbahnweg Recklinghausen-Süd nach Sinsen mit Kokskohlen versorgt. Sie wird nur in dem Maße betrieben, wie der Gasbedarf des Stickstoffwerkes es erfordert. Die Energieanlagen versorgen im wesentlichen nur noch Lüfter, Kokerei und Stickstoffwerk mit Dampf bzw. Strom und Druckluft.

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